Künstlerort Dangast


Die Tradition des Künstlerortes Dangast ist einzigartig. Das bestätigte einmal mehr 2012 die Aufnahme in EuroArt, den Zusammenschluss der Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts. Sie alle verbindet das Programm „Lebensreform“ und „Zurück zur Natur“. In Dangast gaben sich drei bedeutende Strömungen der Moderne sozusagen den Staffelstab in die Hand.


1907 kam Karl Schmidt-Rottluff aus Sachsen hierher. „Die Gegend ist großartig, man muss das alles unbedingt malen!“ schrieb er im Mai an Erich Heckel, der sofort erschien und die Geschäftsstelle der Künstlergemeinschaft „Die Brücke“ in Dangastermoor („Fürst Bismarck“, heute „Landhotel Tepe“) einrichtete.

Auch Max Pechstein, Emma Ritter und andere folgten dem Ruf. Bis 1912 hielten sich diese "Brücke"-Maler regelmäßig in den Sommermonaten in Dangast auf: So wurde der Ort zu einer entscheidenden Station des Expressionismus. Die heute noch wiedererkennbaren Motive der Bilder finden sich in den Museen dieser Welt. Der Dangaster Kunstpfad dokumentiert die Gemälde an den originalen Orten.


Franz Radziwill - Seltsamer Vogelflug über Dangast
Franz Radziwill - Seltsamer Vogelflug über Dangast

1921 entdeckte der Maler Franz Radziwill Dangast. Den „Tipp“ bekam er vom Kollegen Schmidt-Rottluff. 1923 kaufte Radziwill ein Fischerhaus in der heutigen Sielstrasse und baute es eigenhändig aus. In seiner Wahlheimat schuf er in sechzig Jahren sein Hauptwerk des „Magischen Realismus“. Kollegen, Schüler und Kunsthistoriker besuchten ihn und trugen den Ruf Dangasts als Künstlerort weiter.

Die Malerin Trude Rosner- Kasowski und der Fotograf und Maler Willy Hinck wurden gleichfalls hier ansässig. Seine Tochter, Ulrike Hinck, betreibt jetzt in der alten „Villa Wobick“ (heute "Villa Irmenfried") eine Galerie, in der die Werke ihres Vaters zu sehen sind. 

                                                                Fotos: G. S. Voigt
Fotos: G. S. Voigt

In den sechziger Jahren erkundete der Beuys-Schüler Anatol Herzfeld zusammen mit dem schlesischen Maler Ernst Bruno Mroszek (ein Freund Trude Rosners) den Reiz des Wattenmeeres. Ihre Begeisterung über die Dangaster Kulturlandschaft, vor allem den Kurhaus Strand mit dem Ensemble historischer Bauten, war so groß, dass weitere Beuys-Schüler auftauchten: Unter ihnen bekannte Namen wie Blinki Palermo, Charly Banana, Hinrich Gerresheim und Josef Beuys. Gemeinsam gründeten sie die „Freie Akademie Oldenburg“, zu deren „Arbeitszeiten“ Künstler aus der Region stießen, zum Beispiel Eckardt Grenzer und Butjatha.

Ihre bildhauerischen Arbeiten, wie Grenzers „Tor zum Watt“, der „Phallus“, Butjathas „Kaiserstuhl“ und Anatols „Jadegöttin“ sind bis heute zu erleben. Sein „Faltschiff“ schaffte es 1977 bis auf die „Documenta 6“ in Kassel.

 

Abgesehen von den drei epochalen Bewegungen der Moderne ist Dangast bis in die Gegenwart ein Ort, in dem Kreativität, provozierende Ideen und ihre Umsetzung zu Hause sind. Das alte Kurhaus und seine einzigartige Umgebung bieten Künstlern seit Ankunft der Brücke-Maler eine tolerante und inspirierende Atmosphäre. Diese liberale Tradition wird von der Familie Tapken in der vierten Generation fortgesetzt.


Der vor wenigen Jahren gegründete „KunsTraum“ in der Kuranlage Deichhörn schuf weitere Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten vor Ort. Aufgrund der drohenden Veränderungen und Zerstörungen zog er in das ehemalige Zollamt am Vareler Hafen um.


Die Künstler, die Dangast berühmt machen, liebten und lieben sein besonderes Flair, die Verbindung von Natur, Kultur und Kunst am Jadebusen. Konsequenterweise engagierten sie sich schon immer für den Erhalt des Ortes mit seinem dörflichen Charakter, eingebettet in ursprüngliche Natur. Insbesondere Franz Radziwill kämpfte seit Ende der fünfziger Jahre für den Landschafts- und Naturschutz. Seit 1987 hat die Radziwill Gesellschaft sein Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dort veranstaltet sie jährlich wechselnde Ausstellungen mit einem künstlerischen und kunsthistorischen Begleitprogramm.


Alle Kunstschaffenden eint die Sorge um die Entwicklung des „Kleinods Dangast“ in seiner gegebenen Halbinsellage. Die jüngsten Umgestaltungspläne und gigantischen Baumaßnahmen samt absehbarem Verkehrskollaps drohen das Gesicht des Dorfes unwiederbringlich zu entstellen. Stattdessen muss das Potenzial eines sanften Tourismus weiterentwickelt werden, in Verbindung mit einer professionellen touristischen Werbung für Dangast als Künstlerort. Dafür gibt es erfolgreiche Beispiele in aller Welt und mit Fischerhude und Worpswede auch in der nächsten Umgebung: Die aktuelle Herausforderung besteht darin, den Künstlerort so zu werben, dass seine Einzigartigkeit und noch vorhandene Schönheit nicht zerstört werden.